Caroline Sommer | Modeberatung, die Dich alles sein lässt

Ich habe mir gerade ein Umstyling in einer aktuellen Frauen-Zeitschrift angeschaut. Vorher – Nachher. Vorher eine Frau mit Jeans, weißem T-Shirt, Sneakern, offenen Haaren, lachenden Augen. Hinterher eine Fönfrisur, Blondierung, jede Menge Schminke, ein smaragdgrünes Satinkleid und Designerschuhe. Wie aus dem Katalog. Das Lachen in den Augen ist kameratauglich, aber es wirkt irgendwie gekünstelt, sehr viel unnatürlicher als zuvor.

Female Empowerment. Dafür stehe ich. Und Mode ist ein wichtiger Bestandteil vom Empowern, meiner Meinung nach. Aber Verkleiden? Alles auf links drehen? Totale Typveränderung? Ich weiß nicht. Transformation – das große Zauberwort. Aber, ganz ehrlich: Geht diese sympathische Frau mit Jeans und Turnschuhen tatächlich demnächst im Satinkleid zur Arbeit oder zum nächsten Date? Warum darf sie nicht so bleiben, wie sie ist? Unkompliziert, unprätentiös, mit diesen lachenden Augen, die mich sofort überzeugt haben?

Ich hätte dieser Frau viel lieber gezeigt, wie sie ab sofort selbstbewusst mit Jeans und Turnschuhen durchs Leben geht. Ich hätte ihr eine Jeans mit der richtigen Passform rausgesucht, das T-Shirt mit dem richtigen Halsausschnitt und der richtigen Ärmellänge, passend zu ihrem Typ und zu ihren Proportionen. Und vielleicht hätte ich sie im Anschluss daran noch sensibilisiert für nachhaltige, grüne Mode, hätte sie aufgeklärt über die Vorteile von Slow Fashion und die Nachteile von Fast Fashion. Wenn sie gewollt hätte, dann hätte sie mal eine Denim Culotte anprobiert oder einen XXL-Kapuzenpullover, den sie als Kleid tragen kann. Ein bisschen über den Tellerrand gucken, ein bisschen aus der Konfortzone heraustreten. Das war’s. Umstyling zu Ende.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin unbedingt für Transformationsprozesse – aber nur mit einem klaren Auftrag. Alles, was mich zu weit weg von mir selbst führt, hat keinen spürbaren Sinn, ist nicht von Dauer und wird sich aller Voraussicht nach nicht in meinen Alltag integrieren lassen. Nur weil ein orangefarbenes Wickelkleid – mit großen pinkfarbenen Blüten drauf – meine Taille so schön zur Geltung bringt, muss es noch lange nicht das sein, was ich will, was ich mir wünsche oder was ich brauche, um glücklich zu sein. Mode soll mir helfen, mir dienen und mich unterstützen. Transformation hin oder her.

Ich persönlich nutze Mode schon immer gerne, um mich zu zeigen, meinen Typ zu unterstreichen, meine Persönlichkeit zu demonstrieren. Klar, dafür muss ich einigermaßen wissen, wer ich bin und wie ich ticke. Wenn Charakter und Klamotte auseinanderfallen, dann sieht man, spürt man das. Für mich gibt es nichts Schöneres als die wahrhaftige Inszenierung der eigenen Art, des eigenen Wesens. Deshalb ist Mode für mich hochemotional. Meine Kleidung ist direkt mit meinen Gefühlen verbunden. Das, was ich fühle, zeige ich mit meinem Outfit. Jeden Tag auf’s Neue.

Leider wird das in der Schule nicht gelehrt. Niemand beantwortet mir als Heranwachsender die Frage: Wie setze ich mich gekonnt in Szene? Das würde sicher viele junge Leute interessieren. Unterrichtsfach: Mode. Spätestens in der Pubertät wollen wir doch wissen, wie wir unsere Klamotten originell, innovativ, stylisch miteinander kombinieren können, um zu punkten. Wir wollen dazugehören. Mitmischen. Oder auch einfach nur total anders sein als die anderen.

Ich war zum Beispiel in meiner Jugend eher so der Typ Extravaganz. Alles, was angesagt war, habe ich schon aus Prinzip abgelehnt. Mainstream war so gar nicht meins. Ich habe gerne in Seconhandläden herumgestöbert und habe mich bewusst entschieden für die Teile mit dem gewissen Etwas.

Ich hatte keine Angst vor einer Blamage. Ich wollte ja eh nicht dazugehören. Im Gegenteil: Ich wollte mein gefühltes Ich-bin-anders-als-die-Anderen sichtbar werden lassen. Das Gute daran war: Ich war völlig frei in meiner Klamotten-Auswahl. Mode war für mich ein kreatives Zusammenspiel von Farben und Formen. Stoffe haben mich begeistert. Muster haben mich fasziniert. Es durfte immer ein bisschen mehr sein von allem. Das habe ich geliebt.

Diese jugendliche Freude hat mich nie verlassen. Wenn es um Mode geht, fühle ich mich bis heute gänzlich frei und unbeschwert. Ich kenne keine Marke. Ich folge keinem Konzept. Ich kann Mode nutzen, für mich einsetzen, verwerfen oder ablehnen. Es gibt keine Idee, der ich nicht folgen kann. Ich brauche kein Netz und keinen doppelten Boden. Als junger Mensch wusste ich nicht, ob meine Looks funktionieren. Aber je älter ich bin, desto besser kenne ich meine Wirkkraft.

Ich habe den größten Respekt vor Menschen, die schneidern können. Ich empfinde es als eine große Kunst, den Körper dreidimensional zu verhüllen. Diese Begeisterung hat dazu geführt, dass ich gerne nähe und mir nicht nur einmal das Vergnügen gegönnt habe, ein maßgeschneidertes Kleidungsstück zu tragen. Ich liebe es, wenn mein Körper (und nicht meine Konfektionsgröße) die Schnittführung vorgibt, die Farbe zu meinem Teint und die Struktur des Stoffes zu meinem Typ passen – und wenn alles sitzt. Wenn nichts zu groß ist, zu klein, zu lang oder zu kurz. Dann ist es perfekt. Dieses Es-passt-perfekt-Gefühl ist wirklich unnachahmlich. Das Kleid, die Hose, der Rock, die Jacke – wird meins, gehört zu mir, passt zu mir, wird unverwechselbar meins. Einfach großartig!

Ich bin glücklich wie ein verliebter Teenager, wenn mein Spiegelbild modisch genau die Geschichte erzählt, die ich erzählen will. Wenn ich mich modisch auf den Punkt bringe. Dann gibt es keinerlei Diskrepanz mehr zwischen Innen und Außen. Das ist ein heiliger Moment, ein großes Fest, ein königliches Gelingen. Ja, manchmal liege ich auch daneben. Vor allem dann, wenn ich mich nicht traue. Wenn ich versuche, mich anzupassen. Wenn ich versuche, weniger extravagant zu sein als ich mich fühle. Wenn ich gefallen will. Diese Verrenkungen, Anstrengungen, Bemühungen – das geht immer schief. Warum? Na, weil ich mich unwohl fühle.

Wenn ich die richtige Kleidung trage, dann gehöre ich zu mir. Dann bin ich nicht damit beschäftigt, ob ich gefalle, anecke, schief angeguckt werde oder überzeuge. Ich fühle mich wohl, ich finde mich schön, ich hab’ mich lieb.

Und da schließt sich der Kreis: Die Frau in dem Magazin mit der Vorher-Nachher-Story – du erinnerst dich? Sie fühlt sich nicht richtig wohl in dem smaragdgrünen Satinkleid. Es sieht hübsch aus, ja, aber es ist einfach zu weit weg von ihrem Ich. Und dann ist die tollste Inszenierung in meinen Augen für die Katz’. Mode soll glücklich machen. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.

 

 

 

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