Die meisten Menschen denken eher selten über die psychologischen Aspekte ihrer Kleidung nach. Viele würden spontan sicher sagen, dass Kleidung dazu da ist, gut auszusehen.
Ich persönlich glaube, es geht um mehr als nur um das gute Aussehen. Kleidung ist ein mächtiges Tool, um ein bestimmtes Image zu erzeugen, Regeln zu durchbrechen, gesellschaftlichen Druck zu erzeugen – und Kleidung kann uns sogar therapeutische Dienste leisten.
Deshalb wage ich heute mal einen tieferen Blick in die Psychologie der Mode und gehe der Frage nach, wie Psychologie uns bei der Gestaltung unseres Kleiderschranks behilflich sein kann.
Ein kleiner Hinweis noch vorab an dich als Leser:in: Zu jedem Aspekt werde ich ein Beispiel nennen, das jeweils kursiv gedruckt ist.
»Mode ist eine Form der Inszenierung – ein Mittel, um sich zu offenbaren, sich auszudrücken und persönliche Eigenheiten zur Schau zu stellen – und für mich eine willkommene Gelegenheit, Freude und Schönheit in einen oft tristen und stressigen Alltag zu bringen.«
– Caroline Sommer –
Zunächst einmal lass uns darüber nachdenken, wie wir uns kleiden müssen, um ein bestimmtes Image zu kreieren. Egal, ob es sich um eine berufliche oder eine private Situation handelt: Durch das Tragen entsprechender Kleidung können wir ein Bild von uns zeichnen und damit unsere Wirkung auf andere beeinflussen.
So gehst du zum Beispiel mit einem ruhigen, neutralen Outfit zu einem Bewerbungsgespräch im Bereich Versicherungen und Finanzen. Damit willst du dich professionell, zurückhaltend, aber auch stilvoll präsentieren.
Die Art, wie wir uns kleiden, vermittelt anderen eine Vorstellung von dem, was wir über uns selbst glauben und was wir von uns halten. Wir geben mit unserer Kleidung optisch gewisse Hinweise, welche konkreten Eigenschaften andere uns zuschreiben sollen.
Wenn du ein modernes Outfit trägst, das an einen erfolgreichen, selbstsicheren Menschen erinnert, werden die Menschen dich wahrscheinlich als eine Person betrachten, die weiß, was sie will, und die den nötigen Ehrgeiz hat, ihre Ziele konsequent zu verfolgen.
Mode kann uns auch dabei helfen, uns sicherer und zufriedener zu fühlen.
Wenn du dir zum Beispiel ein neues Outfit kaufst, in deiner Lieblingsfarbe und in dem Style, der dir gefällt, dann kann dir das ein Gefühl der Freude bereiten und dein Selbstwertgefühl entsprechend pushen.
Wenn wir uns mit Mode auseinandersetzen, entwickeln wir oft auch ein entspannteres Verhältnis zu unserem Körper. Wir alle haben gewisse Körperzonen, die wir lieber verstecken würde. Aber im Laufe der Zeit entwickeln wir eine andere Sicht auf unseren Körper – und vielleicht sogar eine Art Stolz auf die Dinge, die uns ausmachen.
Wenn du dir zum Beispiel ständig Sorgen darüber gemacht hast, dass deine Beine zu kurz sind, dann greifst du vielleicht irgendwann zu knielangen Shorts, die deine Beine zwar optisch nicht verlängern, aber du bist total happy damit, weil du dich endlich frei machen konntest von allen Ansprüchen und Erwartungen.
Wir können auch Kleidung tragen, die uns an unsere persönlichen Talente oder kreativen Fähigkeiten erinnert.
Ein Beispiel wäre ein T-Shirt mit einem Druck eines Gedichts, das du selbst geschrieben hast, oder ein Pullover mit einem Druck eines Kunstwerks, das du selbst gemalt hast.
Spätestens jetzt dürfte klar sein: Es ist enorm befreiend, uns selbst anzunehmen, wie wir nun mal sind – und ein guter Weg, das zu erreichen, ist meines Erachtens das Tragen von Kleidung, die unsere Einzigartigkeit widerspiegelt.
Darüber hinaus kann Kleidung auch als therapeutisches Mittel eingesetzt werden. Einigen Menschen hilft es, sich bewusst mit dem eigenen Kleidungsstil auseinanderzusetzen, um mit krisenhaften Ereignissen oder psychischen Belastungen besser fertig zu werden.
Auch hier ein Beispiel: Jedes Mal, wenn du das Haus verlässt, trägst du etwas, das du am Tag zuvor in dieser Kombination noch nicht anhattest. Durch das bewusste Zusammenstellen neuer Outfits, erfährst du ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, von Macht und Kontrolle. Das kann sehr heilsam sein.
Durch das bewusste Wählen bestimmter Kleidungsstücke, die uns ein gutes Gefühl vermitteln, können wir uns selbst ein positives Erlebnis verschaffen.
Dieses Gefühl von Selbstbestimmtheit ist eine Schlüsselqualität für ein zufriedenes Leben und in Krisen ein echter Turbolader: Wenn du die Freiheit hast, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, dann wirkt sich das automatisch positiv auf dein Leben aus. Und warum dies nicht nutzen?
Gerade tägliche Rituale wie das Ankleiden sind eine gute Gelegenheit, den vielleicht wenig genutzten Muskel der Selbstbestimmung zu trainieren – was nichts anderes heißt als Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und den eigenen Weg zu gehen.
»Eine der wertvollsten Freiheiten des Menschen ist, selbst darüber entscheiden zu können, was er für wichtig nimmt.«
– Sarah Klose –
Unsere Kleidung kann uns auch ethisch verbinden. Wir können ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln, wenn wir uns in einer bestimmten Weise kleiden.
Ein Dirndl ist beispielsweise ein Kleid, das in Bayern und Österreich gerne getragen wird, und weltweit als charakteristische alpenländische Tracht gilt.
Mode wird manchmal auch zur Plattform für persönlicher Ansichten, Meinungen oder politischer Überzeugungen – über die eigene ethnische oder religiöse Identität hinaus. So vermitteln wir, was uns wirklich wichtig ist.
Auch dazu ein Beispiel: Maria Grazia Chiuri, die erste Chefdesignerin in der Geschichte des Hauses Dior, ließ ihre Models im Herbst 2016 mit T-Shirts, auf denen ›We should all be feminists‹ (ein Zitat der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie) aufgedruckt war, über den Laufsteg schreiten. Das Statement-Shirt gibt es bis heute zu kaufen, für 750 Euro. Direkt zum Shop
Ich hoffe, ich konnte dir zeigen, dass Kleidung sich zu mehr eignet als nur gut auszusehen. Ich benutze Mode gerne als therapeutisches Mittel und als Medium für persönliche und emotionale Entwicklung.
Wenn du also demnächst in deinem Kleiderschrank stöberst, dann lass vielleicht den Gedanken zu, dass deine Kleidungsstile viel über dich verraten, was über das äußere Erscheinungsbild hinausgeht. Mode kann deinen inneren Zustand beeinflussen. Mode ist nicht nur ein Stück Stoff oder ein Paar Schuhe, sondern ein unerschöpfliches psychologisches Werkzeug, das du nutzen kannst, um dein Selbstvertrauen zu verbessern und deinen Wesenskern sichtbar werden zu lassen. Es gibt Tausende von Möglichkeiten, die du für dich entdecken und ausprobieren kannst!
Wähle bewusst Kleidungsstücke, die dir gefallen, und die deinem Charakter und deiner Stimmung entsprechen. Dein Outfit sollte eine Erweiterung deiner selbst sein. Wenn du dich in deinem Look rundum wohlfühlst, wirst du das auch ausstrahlen. Und wer weiß – vielleicht hilft dir das ein oder andere Outfit sogar dabei, positive Veränderungen in deinem Leben zu bewirken…